Westfalen – Wachstumsregion für richtig sympathische Bio-Landwirte. Heute: weidefunk zu Besuch bei Johannes Hillmann und Familie.

Bio im Münsterland oder: „Versuch mal bei ALDI für 20 EURO Geschmack zu kaufen!“

Mittags ist Abfahrt aus Münster. Rund 30 Min. Bundes- und Landstraße, dann rechts abbiegen in einen Feldweg. Nach Schöppingen im Münsterland soll es gehen. Bisschen ab vom Schuss ist es ja, denken wir, als unser Auto fröhlich alle Schlaglöcher mitnimmt, die sich da so breit gemacht haben. 

Dass wir uns verfahren und die falsche Anfahrt gewählt haben, leuchtet uns ein, als wir auf den Hof von Hillman einbiegen. Rechte Hand höhnt uns eine normal zu befahrene Straße an. Notiz an uns: Nächstes Mal nicht nur quatschen, sondern auf den Weg achten. Dann ist der Biohof von Hillmann super zu erreichen. 

Und wir hätten schneller gesehen, was Besucher:innen aus Münster und Umgebung am Hillmann’schen Biohof schätzen: Ein Bauernhaus wie aus dem Bilderbuch, daneben der kleine Hofladen. 

In westfälischer Gastfreundschaft werden wir von Johannes und seiner Frau Sandra begrüßt und in die gemütliche bäuerliche Küche eingeladen. Ich weiß – ich höre mich jetzt an wie Inka Bause von Bauer sucht Frau. Aber so war es: die Herzlichkeit von Ehepaar Hillmann ist echt – und hat einen Hintergrund. Den finden wir im Laufe unseres Gespräches heraus. 

Neustart auf westfälisch: „Auf Mähen hab ich keine Lust. Ich hol mal Schweine!“

© weidefunk Bunte Bentheimer Schweine
© weidefunk. Echte Bunte Bentheimer Schweine

Der Hof ist steinalt und wird auf Anfang 1800 zurückdatiert. Doch erst seit 2007 darf er sich „Biohof“ nennen. Dies hat er einem Neustart zu verdanken: Johannes absolvierte ursprünglich seine Ausbildung zum Landwirt in der konventionellen Landwirtschaft. Nach dem Besuch der höheren Landbauschule arbeitete der Westfale bei einer Raiffeisen-Genossenschaft. Biologische Landwirtschaft? Stand nicht auf dem Programm. 

1999 gab Johannes die Landwirtschaft dann auf. Er stand vor einem Mammutproblem, vor dem heute unzählige Landwirte stehen: „Wir waren einfach nicht groß genug, die Zeit fing an, uns zu überholen und wir konnten nicht mithalten.“ Wachsen oder weichen, so der Rat, den wohl jeder landwirtschaftliche Betrieb schon gehört hat. Johannes schulte auf Immobilienkaufmann um und verbrachte seine Zeit nun viel mit dem Telefonhörer am Ohr. 

Doch was in einem Westfalen erstmal angelegt ist, verschwindet nicht so schnell. Zum Beispiel das Herz für die Landwirtschaft. 

So reifte 2006 die Überlegung: „Was machst Du Anständiges mit den Flächen, kannst Du ja nicht einfach hier so lassen?“ Johannes Gedanken brachten ihn auf die Idee, Bunte Bentheimer Schweine drauf zu lassen, um die Flächen „eben von Schweinen mähen zu lassen!“ Und schon standen 40 Sauen zur Ferkelzucht auf Hillmanns Hof. Das war der erste Schritt in die biologische Landwirtschaft. 

Bio by Hillmann: Handarbeit plus Leidenschaft 

Wir sitzen am großen Familientisch im offenen Küchenbereich. Wir sind beeindruckt von der persönlichen Geschichte, die hinter diesem Betrieb steht. Jeder Hof erzählt ja seine eigene Geschichte, geprägt von Schicksalen, Neuanfängen und individuellen Motivationen. 

© weidefunk. Mit den Hillmanns in der Küche
© weidefunk. Die weidefunkerinnen mit den Hillmanns in ihrer Küche.

Johannes und Sandra fanden ihren Weg zwischen „Wachse oder Weiche“. Zusammen mit ihrer fünfjährigen Tochter Emma stemmen sie heute jeden Tag aufs Neue einen aus Überzeugung gewachsenen, zu 100% auf Bio um- und eingestellten Hof. 

Die anfänglich 40 Bunten Bentheimer Schweine haben Gesellschaft von ihresgleichen bekommen: 30 Sauen, zwei Eber, 120 Ferkel und 120 Mastschweine beheimatet der Biohof. Von der Weide mussten sie runter, Auflage vom Veterinäramt aufgrund des Schutzes vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Dafür leben sie in großzügigen Ställen auf Stroh mit Auslauf. 

Zudem tummelt sich eine stattliche Anzahl von „Bresse Gauloise-“ Hühnern auf der großen Streuobstwiese, die 2008 als Ausgleichsfläche angelegt wurde. Begleitet werden sie dabei von ihrem Hühner-Mobil, einem Stall auf Rädern, der nicht nur mit Schlafstangen und Legenestern, Wasser- und Futterzufuhr eingerichtet ist, sondern sich weiterbewegt, wenn es an einer Stelle der Streuobstwiese nichts mehr zu picken gibt. 

Hof, Hofladen, Hofgefühl: Durch und durch Bio

„Unsere Besucher“ sagt Johannes. „die sehen hier, wie die Tiere gehalten werden. Ich glaube, das finden sie gut.“ Im kleinen Hofladen, den Johannes 2016 mit seinen eigenen Händen gebaut hat, finden Besucher:innen Fleisch seiner Bunten Bentheimer, Eier aus Freilandhaltung, selbstgemachte Produkte wie Nudeln und saisonalem Obst von der Streuobstwiese, gerade für Allergiker ein Gaumenschmaus, denn hier gibt’s die alten Sorten: Dülmener Rose, Jakob Lebel oder Boskop sind häufig deutlich besser verträglich. Darüber hinaus lockt der Laden mit leckerem Eierlikör, von dem Johannes uns direkt einen schenkt – für die Heimfahrt (-:

Nur 10 % seines Umsatzes machen die Hillmans allerdings mit ihrem Hofladen, der Rest geht an Drittvermarkter, die man auch auf dem Münsteraner Wochenmarkt trifft. Und trotzdem stehen Sandra und Johannes jeden Freitag und Samstag jeweils nachmittags im Laden. Nun, zugegebenermaßen erhalten sie starke Unterstützung: „Klein Emma“, wie Johannes die aufgeweckte 5-jährige gerne nennt, übernimmt immer mal wieder im Alleingang:

„Mama, Du kannst gehen! Ich mach das hier!“ 

Dass Johannes einfach „nur“ Landwirt ist, kann er uns nicht mehr erzählen. Wir merken, wie viel Herzblut in diesem Betrieb steckt. Und obwohl uns der Westfale mit seinem Humor immer wieder aus unserem Interview-Konzept kegelt, wird er bei einem Thema ernst. 

Es ist der eine gewisse Satz: „Mit Bio kannst Du die Welt nicht ernähren.“ Da fährt der ansonsten so coole Landwirt aus der Haut. 

Als ein Kumpel diesen Satz mal zu Johannes sagte, konterte dieser im Brustton der Überzeugung:

„Was hast Du denn geraucht?! Klar, wenn jeder 80-90 kg Fleisch pro Jahr isst, dann geht das nicht. Aber mit weniger Fleisch, dann geht das!“ 

Ja, von Bio ist das Ehepaar Hillmann durch und durch überzeugt. Zertifiziert waren sie zunächst nach Naturland, heute folgt der Hillmann’sche Biobetrieb den Richtlinien von Biokreis und Bioland. Naturland wurde ihm zu bürokratisch, und bei den beiden anderen Bio-Verbänden fühlt er sich besser betreut. 

Doch wichtiger als alle Siegel ist den Hillmanns die Überzeugung, die hinter „Bio“ steckt: „Weißt Du, viermal in Jahr in Urlaub fliegen, aber kein bisschen Bio leisten können, das ist nicht ok!“ findet er. Zudem gehöre Fleisch, so der Fleischvermarkter aus Schöppingen, nicht jeden Tag auf den Teller. Klar, ein Stall ist eben kein Supermarkt. 

Überzeugen durch Zeigen: „So ein Hof, da ist nicht alles blitzblank, da ist das Leben!“

Zukunftspessimismus Fehlanzeige: „Das kommt wieder!“ sagt Johannes zu uns und meint damit das Bewusstsein der Menschen, sich wieder den Lebensmitteln und ihren Bedingungen zuzuwenden. Mit erfreutem Blick zeigt er auf die junge Generation: „Die jungen Menschen sind deutlich reflektierter und aufgeklärter, die machen sich mehr Gedanken! Und hey, ja, die kleine Schwedin (Greta Thunberg, Anm. d. Red.) hat da mehr erreicht als viele zugeben wollen.“ 

Zwischenzeitlich haben wir die gemütliche Küche verlassen und werden von Johannes durch die Hofanlage geführt. Der Biolandwirt betont:

„Auf dem Hof ist nichts automatisiert. Einstreuen, Misten, Füttern: alles wird von Hand erledigt.“

Das merken wir beim späteren Rundgang durch die Ställe und Anlagen: Alles ist gepflegt, aber nicht so klinisch rein wie in konventionellen Stallanlagen.

Wir fühlen uns so, wie es sein muss: Wie auf einem Bauernhof. 

Die Familie Hillmann zeichnet sich durch eine charakteristische Herzlichkeit aus, die uns von Anbeginn eingenommen hat. Und jetzt verstehen wir, wo sie ihren Ursprung hat: in der Überzeugung, dass man Menschen etwas zeigen kann und dies die Menschen zum Nachdenken bringt:

„Ich zeige den Menschen gerne was hinter den Kulissen abläuft. Denn ich bin überzeugt, dass das die Richtung ist, in die es in Zukunft laufen wird. Hier so ein Hof, da siehst Du in live, woher Deine Lebensmittel kommen. Und da ist es nicht immer blitzeblank. Sondern da ist das Leben!“

Bestes Verkaufsargument vom Hillmann‘schen Hofladen im O-Ton von Johannes: „Versuch mal bei ALDI für 20 EURO Geschmack zu kaufen!“

Johannes könnte man angesichts seines trockenen Humors, hübsch gepaart mit partiellem Plattdütsch, auf die Bühne der 1-Live-Hörsaal-Comedy stellen. Doch der Mann steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Landwirtschaft und folgt einer Art Familienfluch: „Als ich geboren wurde haben die mir das in die Wiege gelegt: Du wirst Bauer!“ 

Und als solcher schaut er realistisch ins Supermarktregal: Dass Bio seinen Preis hat, ist gut so, denn „die Sachen, die nichts kosten, werden auch nicht wertgeschätzt. Wenn ich das Schnitzel für fast umsonst bekomme, ist es auch nicht schlimm, wenn ich das im Kühlschrank vergesse und das da vergammelt.“ Johannes hat zusammen mit seiner Familie einen Weg gewählt, der das hemmungslos vermarktete Bio-Konzept neues Leben einhaucht: „Wenn einer meiner Lebensinhalte ist, dass ich mich und meine Familie vernünftig ernähre, dann könnten sich weit mehr Leute Bio leisten. Es ist eine Sache der Prioritäten: für was gebe ich mein Geld aus?“ 

Juliane gibt ihres noch am selben Tag im Hofladen der Hillmans aus. Bespickt mit Eiern, Nudeln & Co. (ich habe den Eierlikör), fällt uns der Abschied nicht leicht. Man fühlt sich schlicht wohl auf diesem Hof! 

© weidefunk. weidefunkerin Juliane: "Wie, ich darf kein Schwein mitnehmen...?"
© weidefunk. weidefunkerin Juliane: „Wie, ich darf kein Schwein mitnehmen…?“

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    Sandra und Johannes Hillmann
    Heven 1
    48624 Schöppingen 
    T.  02555 997928
    E. info@bauer-hillmann.de
    U. www.bauer-hillmann.de

    Öffnungszeiten des Hofladens

    • Freitag 14:30-18:00 Uhr 
    • Samstag von 10 – 14:00 Uhr 

    Hofführungen:

    Gewünscht sind 10 bis 15 BesucherInnenAb 5 Personen und 5 Tage früher bitte anmelden unter E. info@bauer-hillmann.de

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