Pauschal und pauschal falsch: Bauernopfer
Die Agrar- und Landwirtschaft ist seit Monaten mal wieder im Fokus zahlloser kritischer Beiträge. Tierquälerei, Antibiotika in der Aufzucht, Pestizide im Grundwasser, geschredderte männliche Küken, genmanipulierte Nahrungsmittel – die Liste der Vorwürfe an „die“ Landwirtschaft ist lang. Man möchte man meinen, der Begriff „Bauernopfer“ erhält in heutigen medialen Zeiten eine Neuauflage. Denn dass Pauschalisierungen und Stereotype schlimme Folgen haben können, wissen wir eigentlich alle aus bester Erfahrung.
Gut, wenn einige nach differenzierteren Sichten streben
„Die“ Landwirtschaft beginnt zu sprechen. Sie verteidigt sich, will aufklären, differenzierter wahrgenommen werden. Dabei zeigen sich unterschiedliche Vorgehensweisen. Während die einen sich eher versammeln und in der Gruppe sprechen, treten andere als Einzelkämpfer auf.
Wie überzeugend ein Einzelkämpfer dabei werden kann, wollen wir folgend zeigen. Und nehmen die Wirkung auf uns vorweg: sympathisch und in vielem schlicht wohltuend auf den Punkt kommend. Er lässt es krachen, der Bauer Willi.
Bauer Willi haut auf den Tisch: „Verbraucher – es reicht!“
Ehrlich gesagt habe ich von Bauer Willi nicht als aller erstes in den sozialen Netzwerken erfahren. Sondern bin durch den Beitrag „Verbraucher, es reicht!“ (im Cicero) von Marie Amrhein auf ihn aufmerksam gemacht geworden. Hier widmet sich die freie Journalistin der Person, die unter dem Pseudonym „Bauer Willi“ digitale Wellen geschlagen hat.
Bloggen tut der promovierte Landwirt aus der Nähe von Köln schon länger, berühmt wurde er aber durch seine spitzen Worte in Richtung Verbraucher. Das wohl bekannteste Zitat der landwirtschaftlichen Blogger-Prominenz sollte nicht vorenthalten werden:
„Du, lieber Verbraucher, willst doch nur noch eines: billig. Und dann auch noch Ansprüche stellen! Deine Lebensmittel soll genfrei, glutenfrei, lactosefrei, cholesterinfrei, kalorienarm (oder doch besser kalorienfrei?) sein, möglichst nicht gedüngt und wenn, dann organisch. Aber stinken soll es auch nicht, und wenn organisch gedüngt wird, jedenfalls nicht bei dir. Gespritzt werden darf es natürlich nicht, muss aber top aussehen, ohne Flecken. Sind doch kleine Macken dran, lässt du es liegen. Die Landschaft soll aus vielen kleinen Parzellen bestehen, mit bunten Blumen und Schmetterlingen. Am liebsten wäre es Dir wahrscheinlich, wenn wir noch mit dem Pferd pflügen würden. Sieht doch so nett aus und Pferde findest du so süß! Und die Trecker würden dich auch nicht beim Joggen auf unseren Wirtschaftswegen behindern. (…)“
Dr. Willi Kremer-Schillings, so sein bürgerlicher Name, bringt manches eben treffsicher auf den Punkt. Zweifel an der Authentizität seiner Worte dürften bei keinem mehr entstehen.
Bauer Willi widmet sich aber keineswegs nur den Verbraucher:innnen, auch Kolleg:innen werden an empfindlichen Stellen didaktisch berührt. Ein Beitrag vom 19. April 2015 ist heute so aktuell wie noch nie. „Wie zufrieden seid ihr mit der Öffentlichkeitsarbeit für uns Landwirte?“ fragt er die bäuerlichen Kolleg:innen. Um sodann den neuralgischen Punkt landwirtschaftlicher PR-Arbeit zielgenau zu treffen:
„Wenn es um Öffentlichkeitsarbeit geht, beschäftigen sich unsere Vertreter gerne mit sich selbst. Die diversen Wochenblätter sind voll mit Bildern in der der jeweilige Präsident dem ein oder anderen Politiker die Hand schüttelt, den Tag des offenen Hofes bei Familie xy mit einer überschaubaren Anzahl von Besuchern eröffnet oder eine Rede vor dem lokalen Zuchtverband hält. Das ist ganz nett. Nur: Öffentlichkeitsarbeit ist das nicht.“
Und zieht den Schluss: „Wir existieren in den Medien einfach nicht!“ Und wenn, dann negativ.
Verdammt gut investierte fünf Minuten
Bauer Willi will die Öffentlichkeitsarbeit nicht den großen Agrarverbänden überlassen und wittert damit einem großen Problem in der Landwirtschaft nach. Denn diese wird bei Skandalen & Co. pauschal abverurteilt. Mit einer Stimme (wie dem eines großen Verbandes) zu antworten, kann riskant werden. Es liegt im Wesen eine Skandals, dass Schuldige aufs Podest gehoben werden. Und dann geht es mit den immer gleichen Argumenten und Rede-Gegenrede-Prozessen los. Feingliedrige, ausdifferenzierende Stimmen gehen in diesem pauschalen Gebrüll der Großen unter.
Entsprechend appelliert Bauer Willi an die Landwirte:
„Wir haben es selbst in der Hand, unser Image zu verbessern. Jeder dort, wo er wirtschaftet. Gehen wir auf unsere Mitbürger zu, halten wir mit dem Trecker an, wenn ein Spaziergänger kopfschüttelnd am Feldrand steht. Sprechen wir mit ihnen! Das sind verdammt gut investierte 5 Minuten.“
Den vollständigen Beitrag zu diesem Appel findest Du hier.
Wenn man dem engagierten Bauern Willi so zuhört, stellt sich die Frage, warum es in landwirtschaftlichen Kreisen bislang häufig „Vereine“, „Verbände“, „Institutionen“ und andere Kollektive sind, in denen sich eine anonyme Masse zu Wort meldet. Persönlich Gesicht zeigen gehört zu den Ausnahmen.
Bauer Willi zeigt mit seinem Beispiel, wie es anders gehen kann. Und in einer Sache möchten wir ihm auch widersprechen: Ja, es braucht andere Medienarbeit für die Landwirtschaft. Aber es braucht nicht immer die Hilfe der Großen, um gute – und das heißt für die Landwirtschaft insbesondere: ehrliche und authentische – Botschaften zu vertellen. Das kann auch ein Mensch gut erreichen. Und die Reichweite wird kommen, wenn sich an dieser Vorgehensweise mehr Bauer:innen und Bauern ein Vorbild nehmen.
Also auch für den Blog von Bauer Willi gilt: Verdammt gut investierte 5 Minuten – gerne auch länger. Hier geht es entlang.
Appell verstanden