Milch. Harmlos kommt sie daher
Milch ist gesund, für Milch muss kein Tier getötet werden, Milch ist ein rundherum nettes Produkt. Stimmt natürlich nicht: 18 000 Liter Milch. Das ist die jährliche Milchleistung einer so genannten Turbokuh. 18 000 Liter… mächtig viel. Und Tendenz steigend. Kein Wunder, dass sich die Skandale rund um die Milchviehwirtschaft häufen. Grund genug, sich dem Thema Milch mal mit offenen Augen zu widmen.
Die Milch macht’s (nicht mehr)?
„Die Milch macht’s!“ Was einst als Werbeclaim in unseren Sprachgebrauch über ging, erlebt heutzutage scharfe Angriffe. Da hätten wir zunächst – als eines von unzähligen Büchern zu diesem Thema – die Lektüre „Risiko Milch“ von Alissa Hamilton:
Alissa lässt kaum ein gutes Wort an der weißen Flüssigkeit. Schaden an Gesundheit und Umwelt, es ranken sich nur noch Mythen über gesunde Milch, die müde Männer munter macht. In Wahrheit profitiert von der Milch nur noch einer: die Wirtschaft.
So richtig nett wird es dann am Deutschen Krebsforschungszentrum, an dem man jüngst neuen Zusammenhänge von Milch- und Fleischkonsum mit Krebs nachgegangen ist. Darm- und Brustkrebs stünden im Verdacht, ihren Ursprung auch auf Basis von Erregern in Kuhmilch und Rindfleisch zu besitzen. Wen der Verdacht interessiert, kann hier und im obigen Link zum Krebsforschungszentrum mehr erfahren.
Ja, die Milch und deren Produkte haben in den vergangenen Jahren eine echte Kehrtwende erlebt in Sachen Gesundheit: Die Laktoseintoleranz ist ja auch mittlerweile bestens bekannt und – nach allem was oben so anklingt – wohl noch das harmloseste Übel. Chemisch kommt diese Unverträglichkeit noch nett daher:
Im Alltag nervt sie aber viele Menschen kräftig. Geschätzt 15 % der Menschen in Deutschland sind von einer Laktoseintoleranz betroffen. Gibst Du bei Google die Keywords „Milch gesund“ ein, erhältst Du ca. 43.700.000 Beiträge und Diskussionen, die nichts anderes machen als sich trefflich darüber streiten, wie ungesund Milch denn nun wirklich ist.
Milch als das (zu) selbstverständliche Produkt?
Noch vor einiger Zeit habe ich mir beim Bäcker gerne mal ein Brötchen geholt und eine Scheibe Käse draufpacken lassen. Oder mal einen Kaffee gezogen und dort n Schluck Milch reingetan. Heute sehe ich das anders. Der bewusste Blick auf Milch & Co. ist exakt genauso wichtig wie bei Fleisch und Fleischprodukten. Aber ungleich schwieriger!
Milch, Käse & Co. haben es sich als stille Selbstverständlichkeiten in unserer Lebensmittelkette gemütlich gemacht. Es erstaunt nicht, dass wir – genauso wie beim Fleisch – viel zu viel davon zu uns nehmen. Und wenn von etwas viel zu viel zu sich genommen wird, dann kann erfahrungsgemäß nur eine Instanz sicherstellen, dass wir bitte auch in Zukunft viel zu viel davon zu uns nehmen: die industrielle Fertigung.
Verdacht, dass Milch nicht gleich Milch ist, liegt nahe
Zum ersten sollten wie die Menge hinterfragen, die wir zu uns nehmen. Zum zweiten sollten wir uns natürlich mit der Frage der Herkunft unserer Milch und Milchprodukte mehr auseinandersetzen. Denn Butter bei die Fische:
Gesetz den Fall Du willst echt drauf achten, woher Fleisch, Milch & Co. kommen und bewusst nur die Lebensmittel zu Dir nehmen, die aus einer authentisch artgerechten Quelle kommen – dann geh nie auf Reisen! Ob Tankstelle, Autorasthof, Flughafen, Bahnhof – finde da mal etwas, was nicht
- Süßigkeit,
- Salatblatt,
- trockenes Brot
- oder Bier
ist und als aus artgerechter Quelle stammend bezeichnet werden darf. Das ist verdammt schwer. Und bei Milch hört es dann nach meiner Erfahrung ganz auf. Im besten Fall offeriert eine Gastronomie noch Mandelmilch oder andere Ersatzmilchen (ja, Plural von Milch ist echt Milchen (-:). Aber in durchschnittlichen Lokalitäten zu fragen, woher die Milch für den Milchkaffee kommt, dürfte zu mittelschweren Diskussionen führen.
Dabei spielt die Herkunft der Milch und ihre Fertigung eine wichtige Rolle. Schauen wir uns diese zusammen mit Slow Food an.
Slow Food auf Milcherkundungstour
Die Organisation Slow Food ist für ihre Spürnase hinsichtlich der Herkunft von Lebensmitteln eine der verlässlichsten und aktuellsten Anlaufstellen. Um Licht in das Dunkel der weißen Flüssigkeit zu bringen, widmete Slow Food der Milch unlängst ein großes vielseitiges Projekt. In diesem sollte definiert werden, was genau „gut, sauber und fair“ bei Milchprodukten heißt. Anbei folgend die wichtigsten Infos von Slow Food zum Thema Milch:
Qualität von Milch ist futterabhängig: je mehr Weide, desto gesünder
Kühe werden heute mit konzentriertem, aus Ackerland gewonnenem Kraft- und Eiweißfutter (v.a. Soja) zu höheren Milchleistungen gepusht. Kühe fressen aber Gras. Neben einer absurd hohen Milchleistung, die die Milchpreise kontinuierlich nach unten drücken und so einen Teufelskreis von betrieblichen Druck und „immer mehr“ auslösen, leidet v.a. auch die Qualität der Milch an sich: Die Nährstoffzusammensetzung verändert sich bei mit Kraftfutter gefütterten Tieren; Stichwort: Omega-3-Fettsäuren und der Geschmack leidet.
Greenpeace hat dazu den Nachweis geliefert, dass die Milch von Kühen, die mit Gras und Heu gefüttert wurden, deutlich mehr wichtige Omega-3-Fettsäuren enthält als die von Kühen, die konventionell (Silage, Kraftfutter) ernährt wurden.
Spürbarer Einfluss auf Milch: die Schritte ihrer Verarbeitung
Professor Dr. Dr. Erika von Mutius, bringt es auf den Punkt: Der gesundheitliche Wert der Milch hängt wesentlich von ihrer Frische ab. Gut, aber was heißt denn frische Milch? Also, eines steht fest: die konventionell abgepackte Milch aus dem Supermarkt mal sicher nicht.
Slow Food vermutet, dass nur den wenigsten Verbraucher:innen bewusst sein dürfte, wie sehr Milch sich bereits „von dem Stoff, den eine Milchkuh in ihrem Euter entstehen lässt,“ entfernt hat. Gut vorstellbar. Denn hättest Du folgendes gewusst?
- Auf Milchviehbetrieben kommt es in aller Regel zu langen Phasen der Kühlung und Lagerung, da der Tankwagen oft nur noch alle drei Tage kommt.
- Zudem werden bei den Tankfahrten die Milch von guten und die von erkrankten Tieren (Eutererkrankungen) zusammengemischt (siehe ausführlich den Beitrag auf Deutschlandfunk), was die Qualität der Milch erheblich beeinflusst.
- Nach Ankunft in der Molkerei wird die Milch einer Thermisierung zugeführt und dann erneut gelagert.
- Es folgen industrielle Prozessen wie die der Separierung von Fett und Magermilch, Hinzufügen von Zusatzstoffen wie Lysozym, Calziumchlorid, Nitrat und Reinigung der Milch über Bakteriofugen oder Anlagen der Mikrofiltration.
- Durchführung der vorgeschriebenen Pasteurisierung (72 Grad für fünf Sekunden auch wenn manche Werbefilmchen heute schon 3 Sekunden versprechen) und dann die Rückführung von Fett bis auf den gewünschten Anteil zum Beispiel von 3,5 Prozent.
- Es erfolgt erneute Lagerung und Transport zum Kühlregal des Einzelhandels.
Ah ja. Frische Milch. Aber der Verbraucher wünscht in aller Regel eben auch ein so „cleanes“ Produkt, machen wir uns nichts vor.
Wo findest Du gute Milch?
Bei Milch gilt dasselbe wie bei Fleisch: wir sollten unseren Konsum mäßigen. Greifen wir dann zu Milch und Milchprodukten, wäre es schön, wenn viele von uns dann immer stärker einen Blick dafür entwicklen, woher wir denn eigentlich gute Milch bekommen können. Slow Food schlägt dazu vor, gezielt Betriebe zu unterstützen, die folgende Qualitätsmerkmale aufweisen:
- Betriebe, die eine nachhaltige, an den Boden, das Grundfutter und die Weide gebundene Milcherzeugung fördern,
- Betriebe, die eine mutter- oder ammengebundene Kälberhaltung umsetzen oder anstreben,
- Betriebe, die sich für naturbelassene Milch einsetzen und diese den Menschen wieder zugänglich machen.
Das ist die Vogelperspektive. Aber was heisst es für uns konkret im Alltag? Da es gar nicht mal so leicht ist, gute Milch aus artgerechter Herkunft zu erkennen, habe ich mich in einem gesonderten Beitrag gefragt, woran ich mich eigentlich orientiere. Hier findet Ihr ihn:
Mehr zum Rein- und Nachlesen für Wissensdurstige
Den vollständigen Studienbericht von Slow Food inklusive Praxisbeispielen zu Zukunftsbetrieben in der Milchviehhaltung findet Ihr hier:
Planet Wissen widmete der Milchkuh eine ganze Sendung mit vielen guten Einblicken und interessanten Meinungen.
Hier geht’s zur vollständigen Studie im Auftrag von Greenpeace, in der noch mehr über den Gesundheitsfaktor Milch nachgelesen werden kann: