„Mir fehlen die Worte, ich habe die Worte nicht!“
Was einst Tim Bendzko besang, beschreibt eine fast alltägliche Situation bei mir. Im Restaurant, an der Fleischtheke oder beim gemütlichen Essen mit Freunden: Die Frage nach dem Ursprung des Fleisches. Wie sag ich es bloß?
Mein häufigster Versuch: „Wo kommt denn das Fleisch aus der Bolognese (auf der Pizza / im Auflauf ….) her?“ Die häufigsten Antworten darauf sind:
Versuch Nr. 2 – ich werde deutlicher:
„Ich meine, wie die Tiere gehalten worden sind?“ Die häufigsten Antworten darauf:
Dem Ausdruck „gute Nutztierhaltung“ fehlt die Bedeutung
Ein deutlicher Großteil der Deutschen würde mehr Geld für Fleisch ausgeben, wenn dies die Umwelt schont und es den Tieren in ihrer Haltung besser gehen würde. Eine Umfrage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) ergab zudem, dass mehr als zwei Drittel der Befragten strengere Vorschriften zur artgerechteren Haltung von Nutztieren wünschen.
Aber was ist, wenn keiner weiß, was „gut“ oder „besser“ im Kontext der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung bedeutet? Ich habe mich daher gefragt, wie man zu einer Definition gelangen könnte.
Antwort vorweg: Ich habe immer noch keine Ahnung!
Ich weiss nicht, wie ich es formulieren soll, wenn ich Fleisch aus einer besseren, tiergerechteren, artgerechteren oder wie auch immer gerechteren Haltung haben möchte. Dennoch war es erhellend, sich durch diesen Label-Wald zu forsten. Naja, nicht nur Label. Bereits die Bezeichnungen sind verwirrend. Wir haben da Label, Siegel, Marken, Qualitäts- und Herkunftsnachweise. Offizielle und inoffizielle. Und dann natürlich die ellenlangen Richtlinien, deren Inhalte sich mehr überschneiden als man meinen möchte.
Ich habe mir diese dennoch zu Gemüte geführt und möchte im weidefunk-Special „Label-Orientierung“ einen Einblick geben in Fakten und Beobachtungen rund um politische und auch wirtschaftliche Bemühungen um eine bessere Tierhaltung. Die wichtigsten Ergebnisse dazu vorweg:
- Es gilt: Bio immer besser als konventionell!
- Es sind v.a. die Bio-Verbände sowie Neuland, die – trotz aller Skandale, die auch auf deren zertifizierten Höfen stattfinden können – die Maßstäbe in Sachen „artgerechtere Tierhaltung“ setzen.
- Aber: Ein Ausbau von Aktivitäten, die sich gezielt dem Tierwohl widmen, ist definitiv notwendig. Der Blick in die konkreten Richtlinien offenbart in einigen Punkten, wie klein derzeit die Schritte sind, die in einigen Bereichen gegangen werden und auch nur gegangen werden können (betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten usw.)!
- Zweites Aber: Es wird nicht ausbleiben, dass Verbraucher:innen mehr persönlichen Bezug zu den tatsächlichen Umständen und Belangen landwirtschaftlicher Betriebe und den Menschen dahinter benötigen. Auf den Grund geh ich folgend ein.
Bild Dir Deine Meinung!
Kein Label ist derzeit wirklich imstande, den Verbraucher:innen zu vermitteln, was artgerechte Tierhaltung oder eine verbesserte Tierhaltung bedeutet. Was heißt denn schon „mehr Platz im Stall“? Weißt Du gerade so aus dem Kopf, wieviel Quadratmeter denn einem Schwein in der konventionellen Haltung zur Verfügung stehen?
Auch „mehr“ Auslauf – was heißt das? Häufig wird nicht oder nur im unbequem nachlesbaren Hintergrund definiert, wie häufig, wie lange, unter welchen Umständen die Tiere nach draussen kommen. Oder Thema „Enthornung und andere Manipulationen“. Diese werden sehr häufig „nicht empfohlen“, aber „in Ausnahmen gestattet“. Oder Aspekte, die dann ganz unter den Tisch fallen. Oder kann es wirklich artgerecht sein, Kälber standardmäßig nach einem Tag der Mutterkuh wegzunehmen? Das nämlich ist die überdurchschnittlich häufig auftretende Realität in Betrieben.
Doch es wird eben nicht mehr alles so hingenommen, wenn unter Buzzwords wie „artgerecht“, „Tierwohl“ & Co. die Labels und Initiativen den Markt stürmen. Auch die großen Medien werden wachsamer und versuchen zu orten: Ist das jetzt ein ehrliches Bemühen oder riecht es nach ökonomischem Kalkül?
Man wird kritischer. Beispiel „Initiative Tierwohl“
Sehr positiv bei der Recherche habe ich zum Beispiel die „Initiative Tierwohl“ (ITW) wahrgenommen. Also nicht die Initiative selbst. Sondern die Reaktionen darauf! Die ITW wurde vom Bauern- und Raiffeisenverband, der Fleischwarenindustrie und der Geflügelwirtschaft sowie einer Reihe weiterer Organisationen gegründet. Fleischprodukte mit diesem Siegel sind u.a. bei Aldi, Lidl, Kaufland, Rewe, Penny, Edeka, Netto und Kaiser’s Tengelmann zu erhalten.
Bzgl. seiner Inhalte spiegelt dieses Siegel de facto sehr niedrige Standards wider. Offen und direkt gesprochen: Mit artgerecht hat dieses Siegel im Großen und Ganzen nichts zu tun. Obwohl mit Riesenmedien-Tamm-Tamm rausgegangen, veröffentlichten einige andere große Medien gezielte Gegenmeinungen, die sich gewaschen hatten. Ich zeig nur einen Minimal-Ausschnitt aus dem Pressespiegel, der nach der Veröffentlichung des Tierwohl-Labels zu sichten war:
Der Wunsch nach artgerechten Quellen: Gekommen, um zu bleiben
Menschen lesen nicht gerne umfangreiche und sperrige Richtlinien. Das kann ich gut verstehen. Schon gar nicht, wenn sich diese mit der Produktion des Schnitzels auf dem Teller beschäftigen.
Doch es ist ungemein wichtig, dass Verbraucher:innen ihren Blick schärfen; auf das, was wirklich gut ist, und das, wo vielleicht nur ein hübsches Marketing-Fähnchen rangepickt ist. Ganz im Sinne der BILD „Bild Dir Deine Meinung“, stellt sich doch die Frage, wie wir mal anfangen, Worte dafür zu finden, was wir eigentlich meinen, wenn wir z. B. von „besserer Tierhaltung“ sprechen?
Die Diskussion um mehr Tierwohl ist gekommen, um zu bleiben. Davon bin ich überzeugt. Und immer Menschen und Organisationen beteiligen sich daran. Dies sind gute Voraussetzungen, damit bald auch die breite Bevölkerungsschicht nicht nur mehr Tierwohl fordert, sondern auch deutlich besser weiss, was Tierwohl in der Praxis bedeutet.
Jetzt aber zum Überblick zu den wichtigsten Entwicklungen auf dem Label-Markt. In den Blick genommen habe ich dabei in einem ersten Schritt vier zentrale „Player“, die derzeit den wachsenden Markt beeinflussen: Das (1) staatliche Bio-Label, die (2) drei größten Bio-Verbände, (3) Neuland als besonders tiergerechtes Bauernprogramm sowie die (4) Labels der Discounter.
1. Das staatliche Bio-Siegel
Zu keinem Zeitpunkt auf dieser Erde kursierten mehr Diskurse über „Bio“ als heutzutage. Und zu keinem Zeitpunkt auf dieser Erde war uns allen wohl unklarer, was das nun konkret bedeutet. Dabei geht es uns alle in großem Ausmaß an. Früher erfüllte Bio sowas wie eine Wohlfühlsemantik: grün, Tiere die draußen grasen, Bauernhöfe mit Ställen und allem Zipp und Zapp. Heute kann Bio viel bedeuten:
Reine Werbung und damit Greenwashing oder eben authentische Bemühung einer ökologischeren und tierfreundlicheren Landwirtschaft. Das habe ich mich hier mal gefragt:
Wieviel Fokus auf die Tiere besitzt das staatliche -Bio-Siegel? Unter die Lupe genommen habe ich die Richtlinien vom staatlichen Bio-Siegel. Dieses dürfte das Bekannteste sein und gibt daher Standards vor.
Das staatliche Bio-Siegel
2. Die großen Bio-Verbände
Wichtig empfand ich auf jeden Fall einen etwas tieferen Blick in die drei größten Bio-Verbände Bioland, Naturland sowie Demeter. Denn diese gehen bekanntlich über die Verordnungen der staatlichen Bio-Verordnung hinaus.
Dabei habe ich mich gefragt, welche Aspekte mir die wichtigsten sind, wenn es um eine „bessere“ Tierhaltung geht. Und mich selbst auf folgende geeinigt. Ich hoffe, diese sind auch in Eurem Sinne:
Jeden Bio-Verband habe ich bzgl. dieser Aspekte einzeln unter die Lupe genommen, da sie sich auf der einen Seite zwar sehr ähneln. Auf der anderen Seite aber teilweise in kleinen, aber wichtigen Details Unterschiede aufweisen, die in gekürzten Übersichten notgedrungen untergehen würden.
Das Wichtigste zu:
Das Wichtigste zu:
Das Wichtigste zu:
Das Wichtigste zu:
3. NEULAND als tiergerechtes Bauernprogramm
Ferner habe ich mich für NEULAND interessiert, die ihres Zeichens nach bewusst kein Bio-Programm, sondern eines für eine besonders tiergerechte und umweltschonende Haltung anbieten. NEULAND habe ich nach den gleichen Aspekten hin näher beleuchtet wie die Bio-Verbände.
Das Wichtigste zu:
4. Die Label der Discounter
Was die Label der Discounter anbelangt, so darf zum derzeitigen Zeitpunkt auf der einen Seite nur ein „ungenügend“ ausgestellt werden: Wenn 99% aller derzeitigen Produkte in einem vierstufigen „Haltungssystem“ in die geringste Stufe fallen und damit der konventionellen Haltung entsprechen, führt sich ein Label selbst ad absurdum. Doch bin ich sicher, war dies nicht die letzte Recherche zu „Discounter und ihre Label“ – die werden nachziehen und gewiss in ihrer Qualität noch aufrüsten. Fragt sich nur, wann.
Auf der anderen Seite sind Discounter die großen Tore zur einkaufenden Massenbevölkerung. So springen Discounter auch voll auf den „Bio-Trend“ im Allgemeinen auf. Warten hier positivere Nachrichten auf Verbraucher:innen?
Aldi, LIDL & Co. im Einsatz für mehr Tierwohl?
To be continued
Der Label-Markt ist derzeit in Bewegung. Aufgeführt habe ich daher zunächst einmal die prominentesten Label und v.a. Verbände, die sich zunächst einmal nichts anderem widmen als einer verbesserten ökologischen und/oder tiergerechten Landwirtschaft. Durch die Novellierungen der Bundesrepublik in Bezug auf das „Tierwohl-Label“ und die damit einhergehende Modifikation der Basis EG-Öko-Verordnung folgen bald neue Informationen und Übersichten.