Bohrende Blicke an der Fleischtheke
Ja, ich gebe es zu: wenn Blicke töten könnten dürfte ich nicht mehr am Leben sein. Ich habe schon einigen Kundenschlangen an Fleischtheken im Supermarkt genervte Ausdrücke auf ihre Gesichter gezaubert. Wer auch Lust hat auf streng bohrende Blicke mitten in den Rücken, sollte es mit folgenden Fragen beim Fleischeinkauf probieren:
- „Wie haben die Tiere denn gelebt?“
- „Wie viele Tage schließt Weidehaltung ein?“
- „Wie ist die Haltung im Winter gewesen?“
Ach ja. Aber mal ehrlich: Da müssen wir doch hin! Und bislang muss ich Euch sagen, dass die Mitarbeitenden an Frischfleischtheken zwar im Regelfall nett sind. Aber über die Herkunft des Fleisches so viel sagen können wie ich über Quantenphysik. „Regional“ oder „kommt aus Deutschland“ lasse ich hier null gelten.
Lieblingsfleischer der Zukunft heute besucht
„Mich stört diese angezüchtete Geiz ist Geil-Mentalität!“
Thomas
Mein Wunsch: in 5 bis 10 Jahren ist es selbstverständlich, dass VerkäuferInnen hinter der Theke den Kunden zurückfragen: „Und wünschen Sie das Schnitzel aus Freilandhaltung?“
Einer macht das heute schon als wäre es das Normalste auf der Welt: Thomas. Deswegen sind Jeanette und ich heute bei ihm.
Thomas Alter (54) ist ein Dortmunder Urgestein. Er wollte ursprünglich Koch werden, machte dann aber 1982 erstmal eine Metzgerlehre, die er 1985 mit Auszeichnung abschloss. Thomas ist seit 1989 Fleischabteilungsleiter und mittlerweile seit fast 22 Jahren bei Edeka Wegner in Dortmund.
„Mich stört diese angezüchtete Geiz ist Geil-Mentalität!“ Diesen Satz kriegst Du auf jeden Fall zu hören, wenn Du mit Thomas über Fleischkonsum sprichst. Mir geht das Herz auf. Und es bleibt nicht beim Klagen: Er und sein Team an der Frischfleischtheke an der Märkischen Strasse machen was dagegen – jeden Tag aufs Neue und leidenschaftlich. Aber mal von Anfang an.
Es waren die Kunden, die nach besserem Fleisch fragten
„Den Auftakt haben damals meine Kunden gemacht!“ erinnert sich Thomas. Die fragten nach Neuland-Fleisch. Ich wurde neugierig und beschäftigte mich damit: Was ist das? Was macht dieses Fleisch besser? Und setzte sich kurzerhand ins Auto.
„Ich habe mir verschiedene Tierhaltungen angeschaut, das ist mir wichtig. Und dann bin ich eben auch auf einen Neuland-Hof gefahren und dachte direkt: Ey, das ist wie damals in meiner Kindheit! Da siehst Du, dass es den Tieren einfach gut geht.“ Neuland LandwirtInnen halten ihre Tiere auf ihren zumeist kleinen und mittelbäuerlichen Betrieben nach hohen Standards, wie Stroh und Auslauf bei den Schweinen sowie ammengebundene Kälberaufzucht und Freilandhaltung bei den Rindern. Thomas überzeugte das. Und setzt seit drei Jahren auf das Qualitätsfleischprogramm.
Eine einzige Frage entscheidet über (Tier-) Wohl
„Das ist nicht einfach nur Fleisch einkaufen. Das ist ein Einkaufserlebnis!“
Simone
Allein im Dezember 2020 hat Thomas mit Neuland Fleisch und Fleischprodukten ein Plus von 56% erwirtschaftet. Klar wollen wir wissen, wie er das macht.
„Ganz einfach: wir stellen den Kunden eine Frage.“ lächelt Thomas. Jeanette und ich kriegen es leibhaftig mit. Neben mir steht eine junge Frau, die gerade Hackfleisch bestellt. Die Verkäuferin erwidert gut gelaunt: „Klar, gerne. Möchten Sie es aus der konventionellen Haltung oder bevorzugen Sie das Fleisch von den Neuland-Höfen?“
Ich bin begeistert … Ich spreche die Kundin namens Simone an. Sie erzählt mir: „Es ist eher selten, dass man in einen Supermarkt geht und erfährt, wo das Fleisch herkommt, wo ich sicher sein kann: Die Tiere haben gut gelebt. Und damit fühle ich mich einfach besser! Und diese Theke hier, wie das das umsetzen – das ist fantastisch! Das ist ein richtiges Einkaufserlebnis!“
Tatsächlich, es ist nur eine Frage: Wollen Sie das eine … oder das aus der besseren Tierhaltung. Aber das macht so viel aus! Thomas schmunzelt: „Ja, die Menschen kommen ins Nachdenken.“
„Man merkt, wenn es bei den Leuten im Kopf rattert.“
Thomas
Besseres Fleisch überzeugt Kunden – wenn ihnen davon erzählt wird!
„Mit Fleisch aus ehrlich guter Quelle haben Fleischtheken ein Ass im Ärmel“
Thomas
„Meine Mitarbeitenden sind der Kracher!“ schwärmt Thomas. „Klar lebe ich es ihnen vor, aber die ziehen so mit, großartig!“ Thomas‘ Mitarbeitende haben auch schon einen Neuland Hof besucht und dort mächtig viele Eindrücke mitgenommen. Jetzt können sie ihren Kunden sagen: „Ja, ich war da, ich kann Ihnen gerne erzählen, wie es dort aussah…“
Thomas ist davon überzeugt, dass gute Produkte aus guter Quelle ein Zukunftsszenario beschreiben. Viele Fleischtheken können sich mit ihren unzähligen Produkten kaum mehr absetzen. Und wo keine Unterschiede in der Qualität mehr wahrgenommen werden, entscheidet eben der (niedrigere) Preis.
Nicht radikalisieren, sondern eine Sprache finden, die die Kunden erreicht
Wenn es um das Sprechen mit Kunden geht, kommt eine sanfte Seite von Thomas zum Ausdruck: „Ich will keinen verurteilen. Wenn mir jemand sagt „Ich kann oder will mir das nicht leisten‘, dann respektiere ich das.“ In einigen Fällen weist er noch auf Genuss-Aspekte oder auch den geringeren Bratverlust hin, aber nie würde der fast 2 Meter große Mann den metaphorischen Zeigefinger in seiner Sprache erheben.
Doch triffst Du Thomas privat, kannst Du ihn auch anders erleben. Zumindest, wenn Du gerade in eine Stück Fleisch der Marke Billig beißen willst.
„Ehrlich, du kannst an so vielen Ecken sparen, tu es doch bitte nicht beim Fleisch!“
Thomas
Der Respekt vor dem Lebensmittel „Fleisch“ und dem Tier dahinter ist dem ausgebildeten Fleischsommelier wichtig und immer wichtiger geworden über die Jahre. „Es ist ein langer mühseliger Weg, den Kunden überhaupt mal zu erklären, dass ein Tier zum ganz verarbeitet werden muss! Alles andere ist respektlos dem Tier gegenüber. Es gibt an einem Tier nichts Schlechtes!“
„Warum soll eine Schwarte besser sein als ein Filet?“
Thomas
Immer wieder betont Thomas: Menschen sind so unterschiedlich, und bei vielen hört das Tierwohl eben beim Tierwohl auf. Aber durch Argumente erreicht man eben mehr Menschen, als viele denken. Thomas und sein Team leben es erfolgreich vor.
Solche Metzger brauchen wir. Denn wen Fleisch, dann bitte aus einer Quelle, die nichts zu verstecken hat und über die VerkäuferInnen euphorisch sprechen.
So einen Thomas wünsche ich mir in 49536 Lienen hinter der FleischTheke bei Edeka. Immer, wenn ich da nach bioFleisch frage, heißt es, es wäre gerade nichts da und ich müsste es bestellen. Das mache ich auch oft, ist aber für spontanKäufe blöd. Dabei hat Soestmann (der FleischTheken Betreiber ) damit geworben bei Geschäfts Eröffnung, dass sie bioFleisch hätten. Und die Verkäuferinnen fragen eben auch nicht. Wie soll sich da was ändern?
Liebe Martina,
danke Dir sehr! Ich kann Dir nur beipflichten, was Münster anbelangt (-:
Lieber Gruss, Inga
So einen Thomas wünsche ich mir in 49536 Lienen hinter der FleischTheke bei Edeka. Immer, wenn ich da nach bioFleisch frage, heißt es, es wäre gerade nichts da und ich müsste es bestellen. Das mache ich auch oft, ist aber für spontanKäufe blöd. Dabei hat der FleischTheken Betreiber damit geworben bei Geschäfts Eröffnung, dass sie bioFleisch hätten. Und die Verkäuferinnen fragen eben auch nicht. Wie soll sich da was ändern? Ich will eigentlich nicht meckern, bin ja froh, dass sie hier überhaupt was in Richtung bio bestellen, bin aber frustriert, weil so der Wandel nur im ZeitlupenTempo voran geht.
Super Thomas du hast die gleiche Einstellung wie ich
Danke Dir, Frank, für die netten Worte! (-: