Lisa – eine 17-jährige Schülerin und der Weideschuss
In Teil 1 hatten wir Euch Lisa vorgestellt. Die Gymnasiastin schreibt derzeit ihre Seminararbeit zum Thema Weideschuss. Unter der Leitung von Herrn Reinhold Prokscha hat sich Lisa diesem Thema aus persönlich motivierten Gründen angenommen. Sie lebt gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern auf dem Hofgut Stefansreute und ist seit vielen Jahren mit dabei, wenn Tiere eben nicht nur auf den Weiden gehalten und aufgezogen werden. Sondern Lisa ist auch mit dabei, wenn die Tiere im Schlachthof ihr Ende finden.
Der Weideschuss ist den Wenigsten ein Begriff
Am einfachsten beschreiben kann man ihn, denke ich, mit einem seiner stärksten Vorzüge: Diese Tötungsmethodik sorgt dafür, dass Tiere weder Transporte noch die Angst im Schlachthof erleben müssen. Damit wir alle aber bedeutend mehr Wissen darüber erlangen, was wirklich hinter dem Weideschuss steckt, nimmt uns Lisa im zweiten Teil nun direkt mit in ihre Seminararbeit.
„Der Mensch ist ein Lebewesen.
Das Tier ist ein Lebewesen.
Aus welchen Gründen sollte es erlaubt sein,
ein Tier mit Schmerzen und Angst zu töten?“
Das Wichtigste zum Thema „Weideabschuss“ in einem Interview zwischen Lisa und Inga
Inga
Als ich vor kurzem den Weideschuss gegenüber einer Freundin erwähnte, erwiderte diese entsetzt: „Was? Wer schießt Tiere auf der Weide tot?!“ Ich musste rasch korrigieren, was mit dieser Methodik tatsächlich gemeint ist. Du kannst das aber deutlich professioneller, Lisa! Also: Was versteht man unter dem Weideschuss?
Lisa
Der Weideabschuss wird definiert als eine Methode, um ein Rind inmitten seiner Herde (fachl.: im Herkunftsbestand) und vor allem unter größtmöglicher Vermeidung von Stress zu töten.
Dazu wird das Tier durch einen aus geringer Distanz gezielten Kugelschuss in den Kopf betäubt und anschließend durch Blutentzug getötet. Der Tod tritt unmittelbar ein. Der Transport des lebenden Tieres zum Schlachthaus entfällt. Erst nach dem Entbluten wird das Rind zum Schlachthof oder zu einem Metzger gebracht.
Inga
Was genau meint eine „größtmögliche Vermeidung von Stress“ konkret?
Lisa
Damit wird festgelegt, dass die Rinder bei dem Abschuss auf der Weide keinen Belastungszuständen (unmittelbar) vor ihrem Tod ausgesetzt sind, sondern in ihrem absolut vertrauten Umfeld, sprich im Herdenverband, getötet werden. Angstmachende Zwangsmaßnahmen, wie zum Beispiel die engen Gänge im Schlachthof oder eine Fixierung des Tieres, finden nicht statt.
Hinsichtlich des geforderten und notwendig zu steigernden Tierwohls kann der Weideschuss als die humanste Methode der Schlachtung angesehen werden.
Inga
Was bearbeitest Du für Punkte in Deiner Seminararbeit, um das Thema Weideschuss so gründlich wie möglich zu erforschen?
Lisa
Nun, das genaue Thema meiner Seminararbeit lautet: „Abschuss auf der Weide – eine stressfreie Alternative zum Schlachthof?“ Darin sind mir folgende Punkte persönlich sehr wichtig:
- Wie gestaltet sich derzeit der rechtliche Rahmen für den Weideschuss? Und wie gestaltet sich die aktuelle Situation in Bezug auf die Bewilligung des Weideschusses?
Relevant ist für mich auch, herauszuarbeiten:
- Wie kann man sich den Ablauf eines Weideabschusses im Vergleich zum Ablauf auf einem klassischen Schlachthof konkret vorstellen?
Dann gehe ich in die neurophysiologischen Grundlagen ein wenig hinein:
- Stress bei Tieren: Was löst den Stress bei Tieren aus? Welche Auswirkungen hat Stress auf die Fleischqualität. (Bsp.: Vergleich der pH-Werte von geschlachteten Tieren über Schlachthof und über Weideschuss)
Daraus abgeleitet möchte ich auch die Verbraucherperspektive einbringen:
- Auf Produktebene: Welche Geschmacksunterschiede gibt es im Vergleich von konventionellem Weidefleisch zu dem Fleisch, das aus dem Prozess des Weideabschusses gewonnen wird?
- Und ich möchte herausfinden, was VerbraucherInnen derzeit über den Weideschuss wissen und welche Rolle der Weideschuss für VerbraucherInnen spielen könnte. Sprich, ob generell Akzeptanz da wäre. Das ermittle ich über eine kleine Umfrage.
Inga
Welche Chancen hat denn der Weideschuss derzeit überhaupt – wie ist da die rechtliche Lage?
Lisa
Die derzeitige Lage zum Weideschuss ist leider sehr schwierig. In nur wenigen Betrieben ist es erlaubt, eine solch humane Methode anzuwenden. Kurz zusammengefasst dürfen jene Betriebe den Abschuss auf der Weide durchführen:
- Die ihre Tiere ganzjährig auf der Weide halten,
- keine Fangmöglichkeit haben, das Verhalten der Rinder dementsprechend schwierig ist
- und alle weiteren Auflagen der Behörden erfüllen.
Für diese Betriebe ist es allerdings auch noch nicht gesichert, eine Genehmigung zu bekommen. Die Behörden haben in Ihrer Entscheidung sehr viel Spielraum und so können wirklich schon Kleinigkeiten dazu führen, dass die Genehmigung nicht erteilt wird.
Inga
Wenn ich als Betrieb den Weideschuss einführen möchte, auf welche Hürden stieße ich denn da?
Lisa
Die erste und größte Hürde ist die Behörde. Als zweites und weiteres Problem kann man die Wirtschaftlichkeit in Betracht beziehen. Denn zum Beispiel die Anschaffungskosten einer Schlachtbox sind hoch, der zeitliche Aufwand des Landwirts größer und er braucht mehr „Arbeitskräfte“: Schütze, Landwirt, Tierarzt … all die müssen mit dabei und vor Ort sein.
Inga
Dennoch siehst Du im Weideschuss eine Methode der Zukunft?
Lisa
Ganz klar: ja! Wir dürfen einfach den ethischen Gesichtspunkt im Hinblick auf das Tier nicht vergessen! Und immer mehr Menschen ist es wichtig, dass die Quelle ihrer Fleischprodukte ethisch vertratbar ist – vom Beginn wie Haltung und Aufzucht bis zum Ende, also dem Tod.
Inga
Lisa, eine letzte Frage. Stell Dir mal vor…
… Du stündest im Supermarkt. Und Du schaust Dir die Fleischprodukte im Regal an. Die meisten stammen aus der konventionell-industriellen Erzeugung. Und nur ein Produkt stammt aus einer Produktion, wo als Tötungsmethode der Weideschuss gewählt wurde. Wie würdest Du die Vorteile des Weideabschusses einem Verbraucher so richtig lebendig erklären, der gerade Fleisch kaufen will und eigentlich zur konventionellen „Tönnies-Ware“ (als Sinnbild vom Billig-Industrie-Fleisch) greift?
Lisa
Ich finde diese Situation ist schwer beschreiben, gebe mir aber Mühe: Meine Erfahrungen im Schlachthof und die dort gesehenen Bilder werden nie wieder aus meinem Kopf verschwinden. Ein solches Bild würde ich gegenüber dem Verbraucher zunächst beschreiben. Dann würde ich ihm oder ihr von einem Erlebnis der Tötung im Kontext eines Weideabschuss schildern.
Auch würde ich, glaube ich, darauf eingehen, welche Unterschiede es für die Fleischqualität macht, ob ein Tier mit immens viel Stress getötet wurde, oder friedlich und ruhig sterben durfte.
Außerdem sind für mich die ethischen Aspekte nicht zu vergessen und auch auf die Würde der Tiere nehme ich Bezug. Nach Teusch (1987) beispielsweise ist die Tötung von Lebewesen nur in einem Fall zu entschuldigen:
Die Tötung muss angst- und schmerzfrei erfolgen!
Dies kann mit dem Mord eines Menschen verglichen werden. Der Mord ist das ziemlich Brutalste und Schlimmste in unserer Gesellschaft. Doch kann ein Mensch nach einem erfüllten, gesunden und erfolgreichen Leben ahnungslos und schmerzfrei einschlafen, kann die Gesellschaft damit umgehen. Sie trösten sich dadurch, dass es ein schöner Tod sei.
Der Mensch ist ein Lebewesen.
Das Tier ist ein Lebewesen.
Aus welchen Gründen sollte es erlaubt sein,
ein Tier mit Schmerzen und Angst zu töten?
Inga
Schönere Abschlussworte gehen nicht. Danke Dir, Lisa.